"Kein Zwang in der Religion" soll für alle gelten!

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Zu Recht beanspruchen die Muslime Österreichs für sich als anerkannte Religionsgemeinschaft und Teil der österreichischen Realität die gleichen Rechte, Gleichbehandlung und uneingeschränkte Freiheit der Ausübung ihrer Glaubenspraxis. So problematisch das Prinzip der eziprozität ist, indem mit der Formel: "Solange Christen in Teilen der islamischen Welt unterdrückt sind, dann sollen die Muslime in Europa nicht lautstark für ihre Rechte eintreten" Sippenhaftung betrieben würde, entbindet dies Muslime nicht von der Verpflichtung, die Menschenrechtssituation in vielen islamischen Ländern zu kommentieren und kritisch zu hinterfragen.

Den jüngsten Anlass dazu bildet ein in seiner Heimat mit einem Todesurteil bedrohter, zum Christentum konvertierter Afghane.

Aus rein menschlicher Sicht sind derartige drastische Einschränkungen der Religionsfreiheit ohne wenn und aber abzulehnen und zu verurteilen. Aus theologischer Sicht stehen derartige Urteile nicht im Einklang mit dem Koran, der "Kein Zwang in der Religion!" vorschreibt. Nirgendwo ist eine Belegstelle zu finden, die eine diesseitige Strafe für jene, die ihre Religion verlassen, vorsieht.

Der Prophet lebte mit den "Munafiqin", den Heuchlern, bzw. Apostaten, in Medina Tür an Tür. Ihres offensichtlichen Unglaubens konnte er gewiss sein. Doch zu keinem Zeitpunkt wurde ein Urteil verkündet, wie es in Afghanistan im Raum stand.

Die islamische Geschichte und Literatur ist reich an Beispielen von Leuten, die der islamischen Lehre den Rücken drehten, ohne dass ihnen irgendeine Gefahr drohte. Ibn Al-Rawandi, einer der intellektuellsten Denker und Philosophen, wird in vielen Büchern positiv erwähnt.

Seine Leistungen werden einfach anerkannt. Seine Religion ist eine Sache zwischen ihm und Gott. Al-Mutanabbi, der Star aller arabischen Dichter schlechthin, hat für sich einmal sogar das Prophetentum beansprucht und ist bis heute trotz seiner umstrittenen Persönlichkeit der meist zitierte Poet in der arabischen Welt. Die Geschichten von Abu-Nuuas und seiner Liebe zum Wein, aber auch seine homosexuellen Neigungen füllen Bücher mit Anekdoten, etwa dass seine Familie ihn mit einer der schönsten Frauen verheiratete, er aber schon in der Hochzeitsnacht einen Freund vorzog. Abu Al-Alaa Al Maarri und seine offene Religionskritik führten zu keinen Sanktionen. Ganz im Gegenteil sind Bibliotheken, wissenschaftliche Symposien und Straßen nach ihm benannt.

Auch heute ist die Praxis nicht von Schwert und Blut gekennzeichnet. Der Bekannte zeitgenössische Philosoph und Religionskritiker Jalal Sadiq Al-Azm verkehrt jeden Tag auf den Straßen Damaskus und bereist die arabischen Länder und die islamische Welt, ohne dass Leibwächter gebraucht werden.

Aber wie kann es dann zu solchen Auslegungen kommen, die mit der Todesstrafe drohen? Hier liegt es ein Hauptmissverständnis darin, dass zwischen dem schlichten persönlichen Religionswechsel und einem für die Gesellschaft folgenschweren Entscheid, sich gewalttätig gegen die Gemeinschaft betätigen zu wollen, nicht unterschieden wird. Urteile werden so mit der Begründung getroffen, dass hier der "Konvertierte" sich zu einem Hauptfeind im militärischen Sinne deklariert hat und somit (lt. Urteil) als Hochverräter die Strafe verdient. Aber selbst bei dieser Auslegung ist Vorsicht geboten.

Zu Zeiten des Propheten betrieb Hatib Spionage und übermittelte Informationen an die Feinde in Mekka. Auch nach Bekanntmachung seines Verrates geschah ihm nichts. Ein Todesurteil bei Religionswechsel wie im Falle des Afghanen abzulehnen, ist keine "liberale" oder zusammen gebastelte Interpretation, sondern die Haltung vieler moderner Gelehrter, auch wenn sie durchaus dem eher konservativen Lager angehören, wie der syrische kurdische Theologe Said Ramadan Al-Buti und der weit über die Grenzen seiner Heimat Ägypten bekannte Scheich Al-Qaradawi. Im Falle Abdu Al-Rahmans wären die afghanischen Gerichte gut beraten gewesen, ihn nicht für "geistig minderbemittelt" zu erklären, um der Sache auszuweichen und international Schaden abzuwenden, sondern ihn einfach frei zu lassen. Leider war hier Karsai nicht der richtige, "theologischen Mut" zu zeigen. Unter Besatzung können heikle politische Entscheidungen niemals den Charakter wahrer Eigenständigkeit zeigen. Und so bleibt es eine politisch pragmatische Lösung, der man weder ein glaubhaftes Eintreten für die Menschenrechte, noch eine überzeugte religiöse Haltung abkauft.

Auch wenn es nicht direkt mit dem Fall in Afghanistan in Verbindung gebracht werden kann, wäre es auf Grund der Diskussion der letzten Zeit über die Karikaturen in Dänemark ein Fehler die oben angeführte Argumentation dahingehend zu interpretieren, dass somit Tür und Tor einer aggressiven Herabwürdigung der religiösen Gefühle von Minderheiten in Europa geöffnet werden kann. Ein respektvoller Umgang miteinander bleibt immer der bessere Weg. Hier sollte die Bilanz zwischen freier Meinungsäußerung und Respekt gegenüber Minderheiten weiterhin angestrebt werden, und zwar überall und jenseits der rechtlichen Situation. Auch hier gilt aber die Ablehnung von Gewalt, da die Lösung gewiss nicht darin liegt.

Auf alle Fälle ist ein innermuslimischer Dialog über solche Verurteilungen von Nöten und zwar gesellschaftlich, institutionell und theologisch. Die islamische Weltkonferenz könnte dann diesbezüglich eine von den maßgeblichen Autoritäten in der islamischen Welt getragene offizielle Haltung zeigen.

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