Replik auf einem Presseinterview* mit Prof. Tilman Nagel

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Zur Grenze zwischen Religionskritik und Islamfeindlichkeit, zwischen Meinungsfreiheit und Verhetzung!

Kommentar von TARAFA BAGHAJATI: Replik auf einem Presseinterview* mit Prof. Tilman Nagel http://diepresse.com/home/panorama/religion/521871/index.do vom 15.11.2009

wurde leider aufgrund der Minaretten-Debatte nicht mehr veröffentlicht, daher die Veröffentlichung auf diesem Wege:

„Islamophobie zulassen“ war ein Interview mit Tilman Nagel am 16.11.2009 in der PRESSE betitelt, Spätestens nach den aufgedeckten wüsten Islambeschimpfungen (wie „Muslime vergewaltigen Kinder wegen ihrer Religion…“) in FPÖ-„Seminaren“, die angeblich zum Islam informieren, bedarf ein solcher Standpunkt der Analyse. Auch das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung mit 57,5% für ein Verbot des Baus von Minaretten ist ein weiterer aktueller Anlass, sich mit der Materie zu beschäftigen.

Bei der Argumentation von Herrn Nagel liegt ein fundamentales Missverständnis vor. Zwischen Religionskritik und Islamfeindlichkeit findet eine unzulässige Vermischung statt. Religionskritik soll und muss erlaubt sein. Der Koran selbst zitiert wiederholt Argumente der Religionsgegner und setzt sich mit ihnen auseinander. Auch Kritik am Religionsverständnis mancher Muslime, an deren sozialem Verhalten etc. muss in einer Demokratie selbstverständlich möglich sein. Islamfeindlichkeit ist ein gesellschaftspolitisches Phänomen, das mit dem dünnen und durchsichtigen Deckmäntelchen der „Religionskritik“ sich vorhandener Vorurteile, Verallgemeinerungen und pseudowissenschaftlicher Theorien bedient, diese rechtfertigt  und somit die Diskriminierung von Musliminnen und Muslime zu legitimieren sucht. Damit droht  ein Keil in die Gesellschaft getrieben zu werden, der einzelne Gruppen gegeneinander ausspielt. Es wird versucht, ein „WIR“ Gefühl einer Mehrheitsgesellschaft über die Abgrenzung zur muslimischen Minderheit zu konstruieren. Dieses WIR braucht Muslime nur als angeblichen Fremdkörper, um sich so selbst zu definieren. Damit widerspricht ein solches WIR dem Wesen von Demokratie und Humanismus.

Es wäre ein Irrtum dieses Phänomen auf die FPÖ zu reduzieren, die in der Tat die einzige Partei ist, die die Unverschämtheit besitzt, diese Strategie als Teil ihres politischen Programms nach außen zu deklarieren. Persönlichkeiten der anderen politischen Parteien Schwarz, Grün und Rot haben diese verbale aber gefährliche Waffe hin und wieder herangezogen und mit ihr hantiert.

Islamfeindlichkeit ist ein kalkuliertes, durchstudiertes und politisch vorbereitetes Programm, das auf vorhandenen Ressentiments aufbaut. Darum ist der Begriff „Islamophobie“ viel weniger treffend und diskussionswürdig. Denn in einer Phobie liegt etwas Irrrationales, nicht Steuerbares, ja Ungewolltes, Unbewusstes bis hin zu krankhaftem Verhalten. Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft und Politik zu bekämpfen ist nicht nur die Aufgabe der Muslime, genauso wie es eine Selbstverständlichkeit ist, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht nur den Juden überlassen werden darf. Dies ist eine zivilgesellschaftliche Pflicht im Sinne des Allgemeinwohls und des sozialen Friedens im Land und in Europa.

Wenn Professor Nagel den Islam pauschal als toleranzfremd, überheblich gegenüber Andersdenkenden und kriegerisch darstellt, dann ist es dies natürlich seine Freiheit. Niemand verlangt hier ein Redeverbot seiner „Religionskritik“. Das Nachplappern in Wahlreden und daraus zum Beispiel „Daham statt Islam“ zu konstruieren ist dagegen Islamfeindlichkeit und Minderheitenhetze. Was möglich sein muss ist aber auch, diesen Thesen argumentativ und wissenschaftlich entgegen zu wirken. Toleranz insbesondere gegenüber anderen Religionen ist dem Islam und der islamischen Geschichte nichts Fremdes. Nicht von ungefähr fanden gerade die verfolgten religiösen Minderheiten in Europa, insbesondere die christlichen Protestanten und Juden in verschiedenen Epochen Schutz bei Muslimen. Die Buntheit der christlichen Gemeinden bis heute in Syrien, Jordanien, Libanon und Palästina sucht in Europa ihresgleichen. Die Behauptung von Nagel, dass die Toleranz des Islam ausschließlich auf Buchreligionen beschränkt ist/war, ist von einem Islamkenner schlicht befremdend. Muslime haben über Jahrhunderte mit den diversesten Religionen und Weltanschauungen sowohl als Regierende als auch als Bürger unter einer nicht muslimischen Herrschaft gelebt. Die Verse im Koran, die von Kampfhandlungen sprechen, gehen immer von einer Ausnahmesituation und nicht von der Regel aus, gewünscht und erstrebenswert ist der Weg des Friedens. Das Wort Krieg - „Harb“ kommt im Koran ausschließlich im negativen Zusammenhang vor und nie als „heilig“. Das Problem bei Islamfeindlichkeit bleibt, dass mit Schüren von irrationalen Ängsten und Hochkochen von Emotionen eine rein argumentative Herangehensweise in der Hitze der Debatte kaum möglich wird.

Das immer wieder gerne vorgebrachte Argument, dass auch das Christentum, ja sogar  Jesus in Europa verspottet werden, ist problematisch und nicht auf den Islam übertragbar. Denn Minderheitenschutz ist eine Säule der Demokratie. Die gleiche Verspottung der katholischen Kirche könnte hierzulande durchaus als Pressefreiheit gelten. Aber in einem Land, wo Katholiken eine Minderheit sind, wäre es eine glatte Verhetzung gegen Minderheiten.

Mit dem Schweizer Volksbegehren wurde möglicher Weise ein neues Kapitel eröffnet, das nicht nur die Schweiz betrifft. Das Thema Islamfeindlichkeit wird uns leider vermutlich noch lange begleiten.

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