Persönliche Fehde oder repräsentatives Handbuch?

Diese Homepage wurde mit einem neuem CMS aufgesetzt und befindet sich daher in Arbeit ...

Persönliche Fehde oder repräsentatives Handbuch?

Thomas Schmidinger will mit seinem neuen Handbuch einen "fundierten Überblick über die Strömungen und Vernetzungen des politischen Islam" geben.

In Zeiten wie diesen ist ein Buch, das einen "differenzierten Blick" auf "den Islam" und "die MuslimInnen" verspricht, notwendiger denn je. Neben all dem Medienwirbel über die terroristische Gefahr des Islam seit 9/11, Madrid und London und den islamfeindlichen Werbeslogans nicht nur rechter Parteien in Österreich, erhofft der Mensch sich ein Werk, das wirklich zu Differenziertheit und mehr Klarheit über die MuslimInnen in Österreich beiträgt.

Dem Werk ist zugutezuhalten, dass es durchaus versucht, in Anknüpfung an wissenschaftliche Diskurse zu Begriffen wie "politischer Islam", "Islamismus", etc. die Vielschichtigkeit dieser im Alltagsverständnis oft sehr undifferenziert verwendeten Wörter aufzuzeigen. Das "Handbuch" erscheint teilweise wie eine inhaltlich und literarisch nicht nahtlos ineinander übergehende Zusammenstellung von Abhandlung junger StudentInnen.

Wissenschaftlich oder journalistisch?

Auch einseitige – aber durchaus klar formulierte – Positionierungen zu Fragen der Säkularität und des Säkularismus zeigen den ideologischen Gehalt des Werkes. Der Versuch, das Buch als äußerst objektiv zu präsentieren, wird mit der Argumentation unterstützt, dass ohnehin die Mehrheit der mitwirkenden AutorInnen dem islamischen Kulturkreis entstammen.

Etwas verwunderlich erscheint der Mix aus wissenschaftlichem Anspruch und der Speisung von Informationen aus dem Aufdeckungsjournalismus. So entnehmen die AutorInnen ihre Informationen über verschiedene islamische Organisationen von Personen, die selbst in einem Konkurrenzkampf zu den beschriebenen islamischen Organisationen stehen.

Nach der Auflistung verschiedener Verdächtigungen, wird die wissenschaftliche Haltbarkeit dieser Informationen angezweifelt, womit sich die Frage stellt: Wozu all dies? Das Buch - ist zu befürchten - wird in erster Linie islamfeindlich agierenden Persönlichkeiten wie FunktionärInnen der FPÖ, zur Argumentation ihrer ausgrenzenden Politik dienen, als dass es Aufklärung mit sich bringt.

Einseitiger und ideologischer Schreibstil

Das Handbuch bedient sich – entgegen der selbst verschriebenen Intention – islamfeindlichen Stereotypen, die im parteipolitischen Gezanke oft gegen MuslimInnen erhoben werden, wie auch Begriffen wie "Parallelstrukturen in Europa" (anstatt des FPÖ-Jargon Parallelgesellschaft). Das Buch versucht auch internationale Verbindungen einzubeziehen, um das Geschehen des politischen Islam in Österreich nachvollziehbar zu machen, tendiert aber zu einer sehr einseitigen Interpretation, die im wissenschaftlichen Diskurs zu diesen Thematiken nicht dem Mainstream entspricht (siehe etwa Beiträge von Kroissenbrunner oder Feichtinger und Wentker).

Auch die Betrachtung der jüdisch-islamischen Beziehungen wird trotz Verweise auf Schriftsteller wie Bernard Lewis sehr selektiv rezipiert. Ebenso Geschichten über MuslimInnen in der NS-Zeit. So wird über den Mufti von Palästina ausgiebig berichtet, die Aktivitäten des Islamischen Kulturbundes und dessen Anti-Nazi-Aktivitäten nur in einem Satz erwähnt.

Der Verdacht, dass hier bestimmte Interessen und auch Ideologien bei den AutorInnen mitspielen, zeigt sich etwa in der Anmerkung Larises, wonach das Konzept des Postsäkularismus (Jürgen Habermas) "als eine weitere Maske heuchlerischer Toleranz" zu deuten sei.

Trotzdem ist es ein erster Versuch, die muslimischen Verbände etwas mehr in die Öffentlichkeit zu rücken und sichtbarer zu machen. Es scheint jedoch fraglich, ob ein solcher Beitrag ein geeigneter Beitrag dazu ist. Das "Handbuch" sollte unter dem Strich, als ein wenig mehr als die Fortsetzung einer persönlichen Fehde zwischen Herrn Schmidinger und seinen Lieblingen Al-Rawi und Tarafa Baghajati zu werten sein, die uns diese AkteurInnen bisher in den österreichischen Tageszeitungen boten.

Schmidinger, Thomas/Larise, Dunja: Zwischen Gottesstaat und Demokratie – Handbuch des politischen Islam. Deuticke Verlag. 2008

 

 

Weitere Information
Schlagworte