Imame-Konferenz 2006: Workshop am 8.4.2006 (Rassismus - Islamfeindlichkeit - Meinungsfreiheit)

Diese Homepage wurde mit einem neuem CMS aufgesetzt und befindet sich daher in Arbeit ...

Diskussionsgrundlage und verabschiedetes Papier des Workshops

WorkshopsteilnehmerInnen:

Namhafte Persönlichkeiten aus:

Albanien,
Bosnien,
Dänemark,
Deutschland,
England,
Frankreich,
Mazedonien,
Österreich

Workshopleitung: Mirsad MAHMUTOVIC
Bosnien, Cheef of the Office for Bosnian Diaspora of BiH

Konzeptionspapier: Baruch Wolski und Tarafa Baghajati

Berichterstattung: Tarafa Baghajati

Rassismus und Diskriminierung:

Der Islam lehnt jede Form von Rassismus kategorisch ab. Der Islam vertritt eine egalitäre Weltsicht. Es ist kein Zufall gewesen, dass einer der Allerersten, der die Botschaft des Islam angenommen hat, ein afrikanischer Sklave namens Bilaal war. Der Islam befreite ihn aus der Sklaverei und er wird bis heute von allen Muslimen hoch geschätzt.

Im Quran heisst es:

„O ihr Menschen! Wir erschufen euch aus Mann und Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennenlernt. Doch der von Gott am meisten Geehrte von euch ist der Gerechteste (bzw. Gottesfürchtigste, Anm.) unter euch. Gott ist fürwahr wissend, kundig.“ (49:13)

In seiner Abschiedsrede zu Mekka im Jahre 632 der christlichen Zeitrechnung hat unser Prophet Mohammed (sas) die Egalität des Islams noch einmal eindrücklich betont:

„[…] O ihr Menschen! Euer Herr und Erhalter ist Einer, und euer Urahn ist einer. Ihr alle stammt von Adam ab, und Adam wurde aus Erde erschaffen. Und daher gibt es keine Überlegenheit von einem Araber über einen Nicht-Araber oder von einem Nicht-Araber über einen Araber, und auch nicht von einem Weißen über einen Schwarzen oder von einem Schwarzen über einen Weißen. […]“

Der Islam begrüßt die Unterschiede unter den Menschen und die Verschiedenartigkeit der Kulturen. Für Muslime ist diese prachtvolle Vielfalt nichts weniger als ein Beweis für die Existenz Allahs (ta). Im Quran heisst es dazu:

„Zu Seinen Zeichen gehört die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenartigkeit eurer Sprachen und eurer (Haut-) Farben. Darin sind fürwahr Zeichen für die Wissenden.“ (30:22)

Geschwisterlichkeit statt Überheblichkeit

Alle Gesellschaften der Menschheit kranken an diesem Übel, das wir heute Rassismus nennen. Die Einen mehr, die Anderen weniger. Der Rassismus wurzelt in der menschlichen Tendenz überheblich zu sein, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, Menschen zu klassifizieren, sich einem „Stamm“ zugehörig zu fühlen und andere „Stämme“ geringzuschätzen. Rassismus ist ein fundamentales Unrecht und jede Herrschaft, die sich darauf gründet, ist im Grunde genommen illegitim.
 
Auch Muslime sind nicht automatisch vor Rassismus gefeit. Die Imame-Konferenz spricht sich daher auch gegen jede Form von ethnischer Diskriminierung innerhalb der muslimischen Gemeinden Europas aus.

Islamfeindlichkeit und Kultureller Rassismus

Wir unterscheiden heute zwischen einem biologischem und einem kulturellem Rassismus. Wobei die Trennlinie zwischen diesen beiden Erscheinungsformen nicht immer klar gezogen werden kann. Zumeist geht das Eine in das Andere über. Der kulturelle Rassismus wird oft auch als Neorassismus bezeichnet und ist im Unterschied zum Großteils diskreditierten biologischem Rassismus in weiten Teilen unserer Gesellschaften verankert. Wobei das Phänomen gar nicht so neu ist, wie der Name Neorassismus es einem glauben machen könnte. Ein kultureller Rassismus par excellence ist der Antisemitismus. Und wie wir wissen ist dieses Phänomen beispielsweise weitaus älter als unsere Begrifflichkeiten dazu.

Auch die Islamfeindlichkeit begleitete stets europäische Geschichte und diente Europa immer wieder dazu, sich selbst zu definieren. Im europäischen Mittelalter war „der Muslim“ der Orientale im Äußeren und „der Jude“ der Orientale im Inneren. Beide galt es gleichermassen zu bekämpfen. Wir alle sind uns bewusst, zu welchen Exzessen der Antisemitismus historisch in Europa geführt hat. Desto stärker erfüllt uns die dramatische Renaissance des Feindbild Islams mit Besorgnis. Keine muslimische Gemeinde in Europa ist von dieser starken rassistischen Tendenz in den letzten Jahren verschont geblieben.

Der Begriff der Islamfeindlichkeit findet erst zögerlich Eingang in den akademischen und auch medialen Diskurs. Und das obwohl Muslimas und Muslime in Europa permanent pauschal diffamiert werden, im sozialen Leben diskriminiert werden und aufgrund ihres Glaubens und ihrer Glaubenspraxis zeitweise selbst schon gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt sind.

Die Imame-Konferenz beobachtet mit Sorge, dass für manche politische Denkrichtung das Feindbild Islam sogar zu einem tragenden Element ihrer Ideologie geworden ist.

Islamfeindlichkeit kann auch ein institutioneller Rassismus sein, wenn wir uns die verschiedenen Sondergesetze für Muslime in Europa vergegenwärtigen.

Es scheint, dass Muslime für viele Behörden, politische Instanzen und auch für Teile der Sicherheitsapparate in Europa unter Generalverdacht stehen. Die Beweislast­umkehr beim Umgang mit Muslimen ist ein fundamentaler Verstoß gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Ein Verstoß der eindeutig rassistisch konnotiert ist. Überall da wo Muslime aufgrund ihrer Religion einer diskriminierenden Sonderbehandlung unterworfen werden, liegt Islamfeindlichkeit vor.

Strategien gegen Islamfeindlichkeit

Die Imame-Konferenz appelliert an die Gesetzgeber in der Europäischen Union die Verschärfungen, die unter den Gesichtspunkten der Antiterrorbekämpfung oder der Migrationsbekämpfung vorgenommen worden sind, kritisch zu überprüfen, zu korrigieren und gegebenenfalls rückgängig zu machen.
Die Imame-Konferenz ruft die Europäische Union und die nationalen Regierungen auf, verstärkt finanzielle Mittel zur Erforschung und Bekämpfung von Islamfeindlichkeit einzusetzen. Wir ersuchen auch die Massnahmen der islamischen Gemeinden Europas zu unterstützen, die auf eine stärkere Selbstermächtigung der Muslime abzielen. Auch wenn die Islamfeindlichkeit uns zu Objekten degradiert, so sind wir nichtsdestotrotz unsere eigenen Subjekte, europäische Bürgerinnen und Bürger, EinwohnerInnen und Einwohner in Europa.

Asyl

Die Imame-Konferenz verurteilt jede Form von Rassismus und Diskriminierung, unabhängig davon wer die Betroffenen sind. In diesem Sinne erfüllt es uns auch mit Trauer beobachten zu müssen, dass das vereinigte Europa sich tendenziell seiner humanistischen Tradition der Asylgewährung entledigt. Asylsuche ist ein fundamentales Menschenrecht und die Gewährung von Asyl ist zugleich auch ein wichtiges islamisches Prinzip. Das Thema Asyl begleitet die muslimische Gemeinschaft von ihren Geburtsstunden an. Die Gemeinde der ersten Muslime fand beispielsweise im christlichen Äthiopien Asyl vor der brutalen Verfolgung im damaligen Mekka. Und die Pflicht zur Gewährung von Asyl wurde in der Charta von Medina von den damaligen Muslimen verbindlich festgeschrieben.

Wir appellieren an die europäischen Regierungen die weitere Aushöhlung der Fremden- und Asylgesetzgebung durch sog. Drittstaatenregelungen und ähnlichem zu beenden.  Die zahlreichen Todesfälle von Migranten an den Außengrenzen der Europäischen Union erfüllen uns als Bürger Europas mit Scham und Bestürzung.

Meinungsfreiheit

Die aktuelle Diskussion in Europa veranlasst die Imame-Konferenz  ihre Position so zusammenfassen:

Meinungsfreiheit als unverzichtbares und allgemeines Gut steht für die Imame-Konferenz außer Frage. Dies bedeutet allerdings keinen Widerspruch zum Verständnis eines verantwortungsvollen Umgangs wie ihn auch der journalistische Ehrenkodex formuliert. Für rassistische und herabürdigende Veröffentlichungen können wir kein Verständnis aufbringen. Auch wenn solche Veröffentlichungen legal sind, so darf nicht vergessen werden, dass demokratische und gewaltfreie Protestformen dagegen mindestens ebenso legitim sind.

Wir lehnen es ab einen Widerspruch zwischen den Grundrechten Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit herzustellen. Denn beide Grundrechte sind stark miteinander verwoben, wollen dassselbe Freiheitsideal beschützen. Meinungsfreiheit wurde in Europa hart erkämpft und verstand sich als Recht des Einzelnen ohne Angst vor Repressalien auch Kritik an den Mächtigen anzubringen. Sie ist historisch von unten nach oben entstanden. Dassselbe gilt für die Religionsfreiheit. Sie soll die freie Religionsausübung des Einzelnen vor Eingriffen des Staates oder der Herrschaft schützen. Die Religionsfreiheit stellt historisch insbesondere die religiösen Minderheiten unter Schutz.

Die Imame-Konferenz bekennt sich zum Dialog als am besten geeigneten Lösungsmodell bei auftretenden Konflikten. Die Konferenz ist desweiteren davon überzeugt, dass ein permanent in Gang befindlicher Dialog in institutionalisierten Bahnen Konflikte in vielen Fällen gar nicht aufkommen lassen würde

Kontakt und Anfragen an:

Dipl.- Ing. Tarafa Baghajati
Vizepräsident von ENAR - European Network against Racism und
Mitgründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
baghajati [at] aon.at
Tel. 0043 (1) 259 54 49, Mobil 0043 (0) 664-521 50 80

Schlagworte