Wölfe im Schafspelz?

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Tuesday, 16 January, 2007
Wölfe im Schafspelz?

Replik auf Thomas Schmidinger, der versucht, eine Weltverschwörungstheorie von bedrohlicher muslimischer Unterwanderung in Österreich zu verbreiten

Nicht zuletzt seit der Aussage der ver storbenen Ministerin Prokop über die "Integrationsunwilligkeit von 45 Prozent der Muslime in Österreich", die sie aus einer umstrittenen Studie herauslas, reißt die Debatte über den Islam in Österreich nicht ab. Hinzu kommen weltpolitische Ereignisse. Fast alle Konflikte und Kriege haben muslimische Länder zum Schauplatz. Die schrecklichen Terrorangriffe in New York, Madrid und London wurden im Namen des Islam durchgeführt und trugen den Konflikt scheinbar bis vor unsere Haustür.

So ist nicht verwunderlich, wie um den Islam und Muslime ein neuer Fokus entstanden ist. Dass man sich für diese Religion mehr interessiert, ist normal. Fragen ganz besonders an die hier lebenden Muslime zu stellen, wie sie zu all diesem stehen, ist eine logische Folge. In diesem Diskurs ist es aber immens wichtig, Klischees, Vorurteile und Verallgemeinerungen zu vermeiden. Auch rassistische Zuschreibungen wären als solche zu enttarnen. Fatal wäre es auch, wollte man abweichend vom Vertrauensgrundsatz Muslimen prinzipiell Doppelzüngigkeit und finstere Absichten unterstellen, wenn sie sich äußern. Gerade dieses Problem der Voreingenommenheit und letztlich zusammenfantasierter Ressentiments bildet den Nährboden für das Gift der Islamfeindlichkeit.

Die zuletzt präsentierte Studie der Europäischen Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit über die Islamophobie in Europa zeigt solche Aspekte genau auf. Thomas Schmidinger tappt prompt in diese Falle, wenn er integre und durch ihre langjährige Arbeit anerkannte Personen mit ungeheuerlichen Aussagen und nicht nachweisbaren Unterstellungen zu diffamieren sucht. Er versucht mit einem Konstrukt angeblichen "Networkings islamistischer Muslimbrüder" eine Weltverschwörungstheorie von bedrohlicher muslimischer Unterwanderung in Österreich zu verbreiten. Belege für diese Behauptung bleibt der laut eigener Definition "Philozionist" und bekannte "Antideutsche" dabei schuldig, seine Argumentation beschränkt sich auf subjektive Bewertungen. Fakt ist aber, dass drei der von ihm auf diese Weise zur Zielscheibe erkorenen Personen syrischer Herkunft sind, was sie und ihre Familienangehörigen dort in Gefahr bringen kann. Denn in Syrien steht auf die Mitgliedschaft zur Moslembrüderschaft die Todesstrafe und werden Verwandte solcher Personen zum Teil systematisch schikaniert.

Robert Misik beschrieb die Gedankenwelt und das Weltbild der "Antideutschen" unter anderem so: "Sie kommen, wie der Name schon vermuten lässt, ursprünglich aus der Bundesrepublik, haben da unter begabten Jungakademikern einen gewissen Einfluss erlangt, sind aber auch hierzulande rührig: Aktiv um das Café Critique, haben sie die einstige Zivildienerzeitung ContextXXI usurpiert und auch das bisher renommierte Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ein bisschen angesteckt. Die grundlegende Gedankenreihe der antideutschen Narretei ist einfach - sie sind obsessiv auf Deutschland fixiert. Deutschland ist für sie, was es immer, vor allem so um 1940 war: faschistisch, eine Gefahr für den Weltfrieden, Agentur des Völkischen. Deutschland ist böse. Folglich sind alle, die von Deutschen kritisiert werden, gut. Also auch George W. Bush. Vor allem sind die Deutschen Antisemiten. Also sind alle Juden gut - auch Ariel Sharon. Die Moslems sind gegen die Juden, also gewissermaßen Deutsche."

Für sie ist die Friedensbewegung nur "Demomob". Nach dem Fall Bagdads beglückwünschten sie in vollendeter Förmlichkeit "die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens" zu ihrem Sieg. Und die antideutsche Berliner Zeitschrift "Bahamas" forderten nach dem 11. September amerikanische Bomben auf islamische Zentren in Deutschland. Und die Antiglobalisierungsbewegung hat für sie überhaupt faschistoide Tendenzen. Fairerweise muss aber erwähnt werden, dass gerade die radikalsten "Antideutschen" Thomas Schmidinger kritisiert haben. Gerade wegen seiner Kontakte zur Islamischen Irakischen Partei wurde er von den "Bahamas" als der "Mufti of Marxism" bezeichnet, und Stephan Grigat von Café Critiq ue kritisierte in einem Artikel in der "Presse" seine Zurückhaltung und mangelnde Solidarität mit Israel während des Libanonkrieges.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Arbeit und den Ergebnissen der "Initiative Muslimische ÖsterreicherInnen" wäre von Interesse. Durch Besuch der Homepage www.islaminitiative.at kann sich jeder selbst von der Haltung dieser Gruppierung überzeugen. Die Organisation der Europäischen Imame-Konferenzen, bei denen klar das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechten und Pluralismus im Zentrum steht, Wege der Integration besprochen werden und eine Absage an Terror und Gewalt erfolgt, ist doch etwas, worauf man wirklich stolz sein kann. Auch das Engagement gegen die Genitalverstümmelung bei Frauen, Rassismus, Antisemitismus und die Arbeit im NGO-Bereich und der interreligiöse Dialog mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinde sowie der Kontakt zu feministischen Gruppen im Sinne der Vernetzung von Arbeit für Frauenrechte und  das Verfassen von Artikeln und Kommentaren ist mehr als lobenswert. Und schließlich ist die politische Arbeit mit und innerhalb der österreichischen Parteienlandschaft, inklusive Wahlkampf, ein demokratisches Recht, das hoffentlich auch Muslimen in Österreich zusteht. Oder ist all dies, wie das Realisieren von Kommunalprojekten z. B. den ersten islamischen Friedhof in Wien, ein islamistisches Komplott? Die Schura-Moschee ist auch stolz, immer wieder humanitäre Projekte mit Spenden zu unterstützen. Dies geschah im Rahmen der Hochwasser-Katastrophe in Österreich, zu Gunsten von StundentInnen, die sich die Studiengebühr in Österreich nicht leisten konnten, und auch für das Projekt "Aladins Wunderlampe", bei der krebskranke Kinder in Basra betreut werden. Empfänger waren unter anderem die Volkshilfe, das Österreichische Hilfswerk und die Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen.

Die Forderung Schmidingers, dass auch die Stimmen säkularer österreichischer Muslime hörbar gemacht werden sollen, kann ich voll unterstreichen, zähle ich mi ch doch auch dazu. Es sei denn, Thomas Schmidinger teilt jene Meinung, wie sie die Islamstudie des Innenministeriums durch die Unterteilung der Muslime in vier Gruppen vermittelt, wobei "säkular" ausschließlich als anti- bzw. unreligiös verwendet wird? In diesem Fall wüsste ich wiederum nicht, wie man sich dann zu religiösen Fragen und der Einstellung des Islam umfassend als Außenstehender äußern soll. Eine von den Muslimen anerkannte Auslegung und Interpretation des Korans wird trotzdem eine Domäne der Gelehrten und Imame bleiben.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und vertritt die religiösen Angelegenheiten der Muslime in Österreich. Genauso wie es die katholische Kirche oder die israelitische Kultusgemeinde für ihre Mitglieder tut. Jede Muslima bzw. jeder Muslim in Österreich hat das Recht, dort aktives Mitglied zu sein. Die Tore für Mitarbeit sind offen, egal welcher ethnischen Zugehörigkeit bzw. Rechtschule Mu!slime angehören. Alle sind herzlich willkommen. Die Behauptung, dort handele es sich um einen Hort von Fundamentalisten, Islamisten oder Muslimbrüdern wird mit aller Entschiedenheit als völlig absurd zurückgewiesen. Schließlich gehört es bekanntlich zur Linie, als österreichische Institution frei von Außeneinflüssen und unabhängig zu sein.

Wie Muslime in Österreich in den letzten Jahren unter dem Motto "Integration durch Partizipation" ein eigenständiges Gesicht gewinnen, spricht für sich und macht Schmidingers Artikel zu einem infamen Machwerk, das dem dienen soll, was er angeblich bekämpft: Hass unter die Leute zu bringen.

Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi ist Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und Mitbegründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen.

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