Mekka-Blick im Wiener Grab

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Wednesday, 29 October, 2008
Mekka-Blick im Wiener Grab

Früher wurden verstorbene Muslime häufig in Linienflugzeugen in ihre alte Heimat geflogen

  • Erste Beisetzung auf dem islamischen Friedhof in Wien.
  • Bestattung in Österreich im Trend.

Wien. Das Flugzeug hebt ab – aufgeregte Passagiere schwätzen, schauen aus dem Fenster oder freuen sich auf die Bordküche. Ohne zu wissen, dass eine Leiche mit an Bord ist: Ein verstorbener Muslime auf seiner letzten Reise von Österreich zurück in die ursprüngliche Heimat.

"Jährlich organisieren wir etwa 200 solcher Rückflüge", erklärt ein Sprecher der türkisch-islamischen Union "Atib". Für diese gibt es weder eigene Flugzeuge, noch finden sie zu speziellen Zeiten statt. Vielmehr gelangen die Verstorbenen auf üblichen Linienflügen an ihr Ziel.

Der Trend der Muslime in Österreich geht laut Carla Amina Baghajati, Medienreferentin der islamischen Glaubensgemeinschaft (IG) in Wien, jedoch eindeutig in die Richtung, hier begraben zu werden – eine Gemeinsamkeit von Muslimen und Katholiken sei nämlich das regelmäßige Besuchen des Grabes durch Familienangehörige.

Bestattung in Tüchern

Daher begrüßte die IG die Eröffnung des islamischen Friedhofs im Süden Wiens Anfang Oktober, auf dem diese Woche der erste tote Muslime bestattet wird. "Bis zu 4000 Tote sollen hier ihre Ruhe finden", meint der Integrationsbeauftragte der IG, Omar Al-Rawi. "In ganz Österreich gibt es keinen Friedhof dieser Art", ergänzt Baghajati, "alle Gräber bis jetzt waren Behelfslösungen und dennoch sehr begehrt."

So hat etwa der Friedhof St. Martin in Linz bereits vor 20 Jahren einige Parzellen auf einem abgegrenzten Areal für die Beerdigung verstorbener Muslime zur Verfügung gestellt. Laut dem Linzer Bestatter Mohammed Merah ist heute nur mehr wenig Platz vorhanden, weshalb er einen eigenen, größeren Friedhof für Muslime fordert. Auch Graz und Altach in Vorarlberg diskutieren schon seit längerem über die Errichtung eines solchen.

Die begehrte islamische Bestattung in Österreich hat laut Baghajati auch finanzielle Gründe: Ein Leichentransport in die ursprüngliche Heimat koste mehrere tausend Euro. Ein Großteil der Muslime gehöre einem Verein – wie etwa "Atib" – an, der solche Rückflüge organisiert und finanziert: Die Gesamtsumme aller Transporte eines Jahres wird regelmäßig unter den Mitgliedern aufgeteilt.

"Die Kosten für einen Transport beinhalten die Mitreise einer Begleitperson, den Leichenwagen zum Flughafen und den Sarg für die Reise", erklärt "Atib". Auf letzteren wird bei der islamischen Bestattung üblicherweise verzichtet – der Verstorbene wird in Tücher eingewickelt begraben, "aber in Österreich gelten eben andere Regelungen", meint der Sprecher.

Auch mit der Tradition, den Leichnam innerhalb von 48 Stunden nach seinem Tod zu begraben, muss manchmal gebrochen werden. "Falls eine kriminelle Handlung hinter dem Tod vermutet wird oder ein Verkehrsunfall dahinter steckt, können die Untersuchungen länger dauern", sagt der Sprecher. Ist der Muslime aber eines natürlichen Todes gestorben und die Sterbeurkunde wird schnell genug ausgestellt, könne das Begräbnis mitunter noch am Sterbetag erfolgen.

Rituelle Totenwaschung

"Das ist der Idealfall der islamischen Bestattung", erklärt Baghajati. Zu den Ritualen zähle außerdem, den Verstorbenen mit Blick auf die für Muslime heiligste Stadt Mekka in Saudi-Arabien in sein Grab zu legen. Ganz anders als im Katholizismus wird auf Blumenschmuck und Kerzen jedoch verzichtet. "Wir sehen es eher als Ehre, Geld zu spenden und nicht für Grabbeigaben auszugeben", meint die Medienreferentin.

Tradition hat auch die Totenwaschung, wofür auf dem islamischen Friedhof in Wien extra Flachbauten neben der hohen Aufbahrungshalle errichtet worden sind. Außerdem können nach islamischem Glauben Gräber kein zweites Mal benutzt werden – wodurch sich laut "Atib" für die etwa 200.000 Muslime in Österreich ein Platzproblem auf dem Wiener Friedhof ergeben könnte.

Der erste, auf dem islamischen Friedhof in Wien bestattete Muslime wird laut Baghajati – nach österreichischer Vorschrift – in einem Sarg liegen. Das sei zwar ein Verstoß gegen das islamische Ritual, aber dennoch kein wesentlicher, "denn im Tod sind wir alle gleich."

Printausgabe vom Mittwoch, 29. Oktober 2008

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